Traurigkeit – Medikamente, Reha (1. Kind)

Mir geht es sehr gut! Ich bin glücklich! Ich liebe mein Leben!

Drei Sätze, von denen ich geglaubt habe, sie nie mehr sagen zu können. Von denen ich mir aber so sehr gewünscht habe, sie wieder sagen zu können.

Ich möchte hier jetzt gar nicht alle meine Einzelheiten der Geburt und der Zeit danach erläutern. Sicher hätte vieles anders und auch besser laufen können, aber ist das nicht bei uns allen so? Jeder hat irgendwie seine eigene Geschichte und seine eigenen Umstände und Begleiterscheinungen, aber letztendlich verbindet uns eine traurige Gemeinsamkeit. So individuell unsere Leben auch verlaufen sind, wir haben alle die Erfahrung einer Postpartalen Depression gemacht!

Ich bin über ein Jahr lang mit der PPD herum gelaufen, ohne zu wissen, was mit mir los war. Da es mein 1. Kind war, wusste ich nicht, ob der „Zustand“ normal war, oder ob etwas nicht stimmte. Natürlich weiß man intuitiv, dass etwas ganz und gar nicht okay ist, aber man will es selbst nicht wahrhaben. Und irgendwie kann man es auch gar nicht benennen. Ich wusste nur, dass es so definitiv nicht normal sein konnte. Ich weinte unglaublich viel, und das weit über die „Heultage“ hinaus. Ich fühlte mich oft überfordert. Je länger das anhielt, desto mehr wollte ich dieser Situation entfliehen.

Wo war das Gefühl, glücklich zu sein? Wo war diese allseits genannte Mutterliebe? Wo war die Erfüllung – wo das Gefühl, dass das Leben perfekt ist zu dritt?

Alles davon blieb aus! Ich weinte … heimlich … riss mich wieder zusammen, wenn jemand anderes im Raum war. Ich lächelte, wie eine Mutter zu lächeln hatte. Ich nickte, wenn alle meinten, wie glücklich ich doch sein müsste. Ich versorgte, liebkoste, sang, knuddelte, badete, fütterte, lachte, als wäre alles normal und gut. Aber das war es nicht. Ich vergaß mich zu versorgen, für mich zu lächeln. Ich war müde von den Nächten, konnte mir den fehlenden Schlaf tagsüber nicht gönnen. War ständig in Alarmbereitschaft und in Bewegung, auch um meinen Kopf still zu bekommen, der meine Gedanken rasen ließ.

Ich habe im ersten Jahr Tagebuch geschrieben, monatsweise, und bewusst alle Gefühle heraus gelassen. Wenn ich es jetzt lese, dann lese ich das Buch einer normalen glücklichen Mutter in dem aufregenden ersten Babyjahr. Alles normal: lachen, weinen, Zähne, Brei, rumalbern, Besuche usw. Nicht weist auf meinen inneren Kampf hin. Letztendlich bin ich froh, dass ich es geschrieben habe, denn so weiß ich, dass vieles normaler und schöner war, als ich es in meiner Erinnerung wiederfinde. Und mir ist auch klar geworden, dass mir niemand helfen konnte, wenn es nach außen hin allerdings so aussah, wie es in den Notizen zu finden ist. Wir waren eine glückliche kleine Familie, die zusammen wuchs. So schien es wenigstens, auch wenn es in Wirklichkeit ein viel weiterer Weg war und viel länger gedauert hat.

Letztendlich waren über 2 Jahre Therapie notwendig, nur bedingt und kurzfristig Medikamente und eine Rehamaßnahme brachte mir dann endgültig mein ICH zurück, obwohl es mir zu dem Zeitpunkt schon sehr gut ging. Dort habe ich festgestellt, dass ich nicht, wie so oft erwähnt, mein altes Leben zurück haben wollte. Ein Satz, den jede von uns sicherlich schon verzweifelt von sich gegeben hat. Aber ich wollte gar nicht mein altes Leben – ich wollte tatsächlich nur mein altes ICH. Und das war noch da! Als ich das erste Mal wieder laut auflachte, erschrak ich selbst vor dem Geräusch. So lange hatte ich mich selbst nicht mehr lachen hören. Anschließend kamen mir direkt wieder die Tränen. Ein wenig aus Selbstmitleid, weil ich es traurig fand, dass mir so lange das echte Lachen verwehrt war. Aber auch aus Freude, dass es wieder da war – dass sich ein Gefühl von echter Freude einen Weg bahnte.

Als ich das erste Mal wieder von alleine die Arme meines Mannes suchte, damit er mich ganz fest hielt und ich es genoss, wie viel Liebe da durch seine Arme strömte, das war ein solch wundervoller Augenblick. Es gab eine Zeit, in der ich sicher war, ihn nicht mehr genug zu lieben – dann eine Zeit, in der ich sicher war, dass er mich nicht mehr lieben könnte. Nur tief in mir wusste ich, dass wir eine ganz außergewöhnlich starke Liebe vor der PPD hatten – und daran hielt ich mich fest und klammerte mich daran. Wenn ich diese wahnsinnige Kluft zwischen uns spürte, obwohl wir nebeneinander auf dem Sofa saßen, dann erinnerte ich mich jedes Mal daran, wie glücklich wir vorher waren und dass das nicht einfach weg sein konnte.

Und natürlich erinnere ich mich an den Moment, an dem mich zum ersten Mal diese wundervolle Mutterliebe durchströmte. Einfach so aus dem Nichts heraus. Ich sah meinen Sohn an, wir lagen auf seinem riesigen Kuschelkissen und ich sah mit ihm ein Bilderbuch an. Als wir uns dabei kurz in die Augen sahen, war es soweit. All meine Liebe überfüllte mein Herz, schäumte über und wärmte meinen ganzen Körper. Ich liebe ihn mehr als mein Leben! Das habe ich immer gewusst und auch gelebt – aber zum ersten Mal fühlte ich es auch!

Das alles waren Meilensteine in der PPD. Meilensteine, die mir immer wieder Hoffnung gaben. Dank Schatten & Licht und dem dazugehörigen Forum wusste ich, dass alles wieder gut werden würde – auch wenn ich es oft nicht glauben wollte. Aber die Hoffnung habe ich nie aufgegeben. Ich habe gekämpft und getobt, geweint und kapituliert, nur um immer wieder aufzustehen. Aber letztendlich war es die Akzeptanz und die Geduld, die mich gesund gemacht haben. Ich musste erst einmal akzeptieren, dass ich krank bin. Ich musste lernen, damit zu leben, mich mitzuteilen und Hilfe zuzulassen. Und dann musste ich Geduld haben und auch nach all den Einbrüchen und weiteren Tiefs nicht aufgeben. Und mit jedem Tag wurde es besser.

Heute bin ich wirklich glücklich! Ich lebe immer noch mit meinem Mann zusammen. Wir haben gemeinsam durchgehalten. „In guten wie in schlechten Zeiten“, das gilt für beide Seiten. Nicht nur er musste mich aushalten, auch ich musste das durchstehen. Und wir sind wieder glücklich miteinander. Wir lachen, wir planen, wir feiern und wir spaßen. Und was meinen Sohn betrifft, so bin ich mir sicher, dass er keinerlei „Schaden“ durch meine PPD davon getragen hat. Er ist ein aufgewecktes und lustiges Kind. Die Herzen fliegen ihm zu, weil er einfach so ein sonniges Gemüt hat. Und ich weiß, dass ich dazu beigetragen habe. Vielleicht habe ich sogar mehr gespielt, gesungen und mich gekümmert, als im gesunden Zustand. Ich werde es nicht wissen. Aber ich weiß, dass sich meine Welt nur um ihn drehte und dass er davon profitiert hat. Ich habe nichts falsch gemacht und hätte auch nichts besser machen können. Und es tut unheimlich gut, das sagen zu können!

Ich will nicht so weit gehen wie manch andere, die sagen, dass die PPD sie weiter gebracht hat und auch etwas Gutes hatte. Nein, das stimmt in meinem Fall sicher nicht. Ich hätte sehr gut ohne diese Erfahrung leben können! Aber sie ist nun einmal gewesen. Ich musste lernen, mit ihr zu leben und sie zu akzeptieren und auch jetzt wird sie immer zu meinem Leben dazugehören. Ich habe aufgehört, damit zu hadern. Das „wieso“ interessiert mich nicht mehr. Es war so und geht es vorwärts in die Zukunft. Die PPD war da – sie hat mich verändert und sehr beeinflusst – aber ich bin noch da! Ich bin nachdenklicher, ruhiger, aber auch besonnener geworden. Ich bin nicht mehr so belastbar wie vor der PPD und auch ein paar Eigenschaften haben sich verändert. Aber was davon der PPD zuzuschreiben ist oder was zum normalen Muttersein dazu gehört, vermag ich gar nicht zu sagen. Definitiv ist, dass es einen sehr verändert, Mama zu werden. Ob nun mit PPD oder ohne, es bleibt ein gewaltiger Umbruch des eigenen Lebens, des Denkens und des Handelns – und das gilt es erst einmal zu verkraften. Das ist schon eine Meisterleistung der Anpassung. Mit PPD wird es noch viel schwieriger und leider auch langwieriger.

Aber ihr alle werdet es, genau wie ich, schaffen und euch in eurem Leben wieder zurechtfinden und glücklich sein. Aber ihr müsst akzeptieren, dass ihr krank seid, dass ihr Hilfe annehmen dürft und dass ihr trotzdem stark seid. Aber je mehr ihr abgeben könnt, je mehr ihr Zeit zur Regeneration für euch habt, je mehr ihr mal „Fünfe gerade sein lasst“, desto besser wird es euch gehen. Die Messlatte hängt nämlich viel, viel, viel zu hoch!

Ich wünsche euch viel Glück auf eurem Weg! Dass ihr ihn schnell findet und dass euch geholfen wird! Denn man kann nicht alles aus eigener Kraft schaffen!

Mein Sohn ist inzwischen 3,5 Jahre alt. Das war wirklich ein langer Weg und mag im ersten Moment entmutigend klingen. Aber es ist doch nicht wichtig, wann man wieder glücklich wird, sondern nur dass man es wieder wird. Und wir alle PPD-Mamis werden es wieder! Ich bin es!

Angststörung – Klinikaufenthalt (1. Kind)

Jetzt bin ich eine tolle Mama!

Die Schwangerschaft

Meine Tochter Emily ist ein ausgesprochenes Wunschkind von mir (27 Jahre) und meinem Mann (31 Jahre). Die Zeit war reif für ein Baby und schon beim ersten Versuch wurde ich schwanger. Alle Termine beim Frauenarzt nahm ich pflichtbewusst wahr. Es war jedes Mal ein Wunder, unser kleines Kind auf dem Ultraschall zu sehen. Meine Schwangerschaft verlief bis zur 26. SSW bilderbuchmäßig.In der 26. Woche musste ich mit Frühwehen ins Krankenhaus – für mich ein halbes Drama, da ich Krankenhäuser hasste. Ich lag also am Wehenhemmer und durfte nur noch aufstehen, wenn ich auf die Toilette musste. Meine Familie und ich stellten uns also darauf ein, dass das Baby eine Frühgeburt werden sollte. Doch die Wehen wurden von Tag zu Tag weniger. Nach zwei Wochen durfte ich die Klinik (mit Baby im Bauch) verlassen, hatte aber strenge Bettruhe verordnet bekommen. Ich lag also den ganzen Tag auf dem Sofa, sah fern und spielte mit der Spielkonsole. Gerne wäre ich mit meinem Mann in die Stadt gegangen, um noch ein paar Babysachen einzukaufen. In dieser Zeit weinte ich sehr viel – durch das ständige Liegen schmerzte mein ganzer Körper, jeden Tag wurde ein CTG geschrieben (ich hatte jedes Mal Angst, dass die Wehen, die ich kontinuierlich hatte, stärker werden) und die psychische Belastung war enorm (Meine Therapeutin meinte, dass ich wahrscheinlich zu diesem Zeitraum bereits eine Schwangerschaftsdepression hatte, jedoch wurde diese nicht als solche erkannt und demnach auch nicht behandelt.) Ab der 35. SSW durfte ich wieder aufstehen und den Rest der Schwangerschaft ohne Komplikationen genießen. Mein Mann kümmerte sich rührend um mich. Meine Angst, dass das Baby nicht durch den Geburtskanal passen könnte (ich hatte ein Ausgangsgewicht von 46 Kilo), zerstreuten die Ärzte mit den Worten: „Das passt schon irgendwie“.

Die Geburt (18.06.2007)

Erst wollte meine Kleine zu früh kommen und dann gar nicht. Unsere Tochter war nun schon eine Woche über dem errechneten Geburtstermin und ich musste in die Klinik. Dort versuchten sie es mit Globuli und einem Wehencocktail. Keine Ahnung, was von dem Zeug half, aber abends 21:30 Uhr platzte meine Blase. Der Muttermund war innerhalb einer Stunde geöffnet und die Geburt ging richtig los. Es war nun 4 Uhr am Morgen und meine Kleine blieb im Geburtskanal stecken. Die Geburt geriet ins Stocken, ich konnte nicht mehr richtig pressen und die Ärzte und Hebammen gerieten langsam aber sicher in Hektik. Das Baby passte also nicht richtig durch, aber für einen Kaiserschnitt war es da schon zu spät. Also entschieden sich die Ärzte für den Einsatz einer Saugglocke, da die Herztöne unserer Tochter immer schlechter wurden. 4:35 Uhr erblickte sie dann das Licht der Welt. Es war ein sehr schöner Moment. Ich bekam sie aber nicht sofort auf den Bauch gelegt, da sie erst im Nebenraum von Kinderärzten untersucht wurde. Dann haben sie sie mir in die Arme gelegt. Ich habe geweint und konnte nicht glauben, dass mein Mann und ich so was Schönes bekommen haben. Für uns war Emily das schönste Kind der Welt. Durch die Saugglocke hatte ich einen sehr großen Dammschnitt bekommen. Man musste mich 1 ½ Stunden nähen – und es tat weh. Da will man sich an seinem Kind freuen und kann sich gar nicht richtig aufs Baby konzentrieren bei den Schmerzen. Endlich kam ich mit meinem Baby auf mein Zimmer. Ich sah es den ganzen Tag nur an und liebte die Kleine gleich vom ersten Moment an abgöttisch.

Auf der Wochenstation

Nachts gab ich mein Baby zu den Schwestern ins Kinderzimmer, da ich sehr erschöpft war. Mit meiner Dammnaht hatte ich wahnsinnige Probleme – ich hatte solche Schmerzen und musste mich beim Laufen immer an dem kleinen Babybett festhalten, um überhaupt vorwärts zu kommen. Die Schmerzen bestimmten meinen ganzen Tag. Schmerzmittel bekam ich keine: „Es haben schon so viele Frauen Kinder gekriegt, reißen sie sich mal etwas zusammen“, war alles, was ich von den Schwestern hörte. Auch stillte ich mein Kind nie, ich habe gleich nach der Geburt abgestillt – viele Schwestern und der Kinderarzt hielten mir das vor. Aber es war mir egal, denn es war meine Entscheidung.

Zu Hause

An meinem Entlassungstag regnete es in Strömen. Mein Mann holte uns ab – er hatte kleine Überraschungen für mich und unsere Emily im Wohnzimmer aufgestellt. Doch genießen konnte ich es nicht. Stattdessen habe ich ihn angeschnauzt, dass ich mich endlich wieder ins Bett legen will. Die Zeit war da für Emilys erste Flasche zu Hause. Mein Mann und ich stritten uns um die Zubereitung – ich fühlte mich einfach überfordert.

Mein Mann hatte eine Woche Babyurlaub bekommen, und es funktionierte von Tag zu Tag besser. Ich war glücklich und mein Mann war es auch. Meine Dammnaht machte mir immer noch große Probleme. Ich bin dann zur Frauenärztin, weil ich es vor Schmerzen nicht aushielt. Aber diese Woche zu Dritt war sehr schön. Danach war ich tagsüber mit meiner Kleinen alleine zu Hause. Ich wurde immer erschöpfter und kraftloser. Auch fing ich an, immer öfters zu weinen. Wir dachten, dass ist der Babyblues – also ganz normal. Nachts wurde es für mich immer schwieriger, nach dem Füttern wieder in den Schlaf zu finden. Also nachts fast nur noch wach und tagsüber sowieso. Ich war so müde und stand aber trotzdem nur noch unter Strom. Ich zählte die Stunden, dass mein Mann wieder heim kommt und für mich da war. Ich muss anmerken: ich habe meine Emily jede Minute geliebt. Dann fingen die Ängste an: Angst vorm Alleinsein, Angst, wenn das Kind schreit, Angst, eine schlechte Mutter zu sein – mein Tag war bestimmt von Weinen, Kraftlosigkeit und Angst.

Emily war jetzt 4 Wochen alt und weinte sehr, sehr viel. Es stellte sich heraus, dass sie am Kiss-Syndrom litt. Schuld daran war die Geburt. Zum ersten Mal bekam ich Schuldgefühle gegenüber meinem Kind. Ich begann früh, wenn mein Mann das Haus verließ, zu Kotzen (ich muss das so vulgär schreiben, weil es kein normales Übergeben war, sondern wirklich richtig schlimmes Würgen, was fast eine halbe Stunde anhielt). Nach drei Tagen ging ich zum Arzt. Ich habe gedacht, ich brüte einen Magen-Darm-Virus aus. Der konnte aber nichts finden und meinte, dass ist ein Stress-Symptom. Aber es wurde immer schlimmer. Jedes Mal, wenn mein Kind anfing zu weinen, weil es Hunger o. ä. hatte, fing ich an zu Brechen. Ich hielt also in der einen Hand die Flasche und in der anderen den Eimer. Das ging eine Woche so. Danach hatte mein Mann 2 Wochen Sommerurlaub. Die erste Woche war wunderschön – er half mir, wo er nur konnte. Mein Brechen hörte schlagartig auf und ich konnte auch wieder schlafen. Ich fing an, mich zu erholen. Wir gingen spazieren und genossen unsere Zeit zu Dritt. Seine zweite Urlaubswoche brach an, und schlagartig überkam mich eine noch schlimmere Angst wie vorher. Ich malte mir aus, dass ich es, wenn mein Mann wieder arbeiten würde, alleine mit Emily nicht schaffen könnte. Ich bekam Panik. Ab da schlief ich gar nicht mehr. Ich fing wieder an mit Brechen und das wurde so schlimm, dass ich schon anfing, bevor mein Kind schrie, einfach nur weil ich wusste, dass sie bald die Flasche bekommen musste. Ich war fast am Durchdrehen, so dass wir eine Woche später, Mittwochnacht, den Notarzt holten, der mir ein Beruhigungsmittel spritze. Mein Mann nahm erneut Urlaub und kümmerte sich ab da alleine um unsere Tochter. Ich kam aus dem Bett nicht mehr raus. Mein Tag war bestimmt von Schlafen, Brechen und Heulen.

Da merkte ich, dass mit mir etwas nicht stimmt, dass das kein Baby-Blues ist und dass ich nicht mehr richtig im Kopf war (bis dahin dachte ich, das ist normal – das ist halt so). Ich ging zu meiner Hausärztin – von ihr bekam ich Beruhigungsmittel. Ich ging zu meiner Frauenärztin – von ihr bekam ich Antidepressiva. Ich ging zur Familienhilfe – da fiel zum ersten Mal der Kommentar: WOCHENBETTDEPRESSION.

Ich raffte mich auf und recherchierte Donnerstagnachmittag im Internet, wo ich die Seite von SCHATTEN-UND-LICHT fand. Ich informierte mich und merkte, dass ich schon sehr tief drin steckte und alleine nicht mehr aus diesem Zustand heraus kommen würde. Ich entschloss mich, zusammen mit meinem Mann, dass ich in eine Klinik musste. Meine Frauenärztin organisierte für mich kurzfristig ein Bett in der Psychiatrie Altscherbitz. Mir war es enorm wichtig, dass ich meine Kleine mitnehmen konnte. Sie gab mir die Kraft, diesen Weg zu gehen. Ich tat es für mich, meinen Mann und meine Tochter, als ich mich Freitagfrüh in die Psychiatrie in Altscherbitz einweisen ließ. Meine Eltern waren dagegen, sie verstanden anfangs nicht, was mit mir los war. Jetzt sind sie auch der Meinung, dass es das Beste war, was ich tun konnte, denn man schafft es alleine nicht.

In der Psychiatrie

Emily verbrachte also ab ihrer 7. Lebenswoche ihre Zeit mit mir in der Psychiatrie. Diagnose: Schwere Form der Postpartalen Depression, generalisierte Angststörung und abhängig-unsichere Persönlichkeitsakzentuierung. Es war eine sehr schwere Zeit. Meine Medikamente wurden umgestellt. Das Brechen wurde etwas weniger. Ich lernte, dass das Brechen für mich dazu gehört – das mein Körper so den Stress durch das Baby verarbeitet. Ich lernte dort, dass ich eine gute Mutter für mein Kind bin, auch wenn mal etwas nicht so hundertprozentig klappt. Mir ging es Stück für Stück etwas besser. Als ich ruhiger wurde, wurde auch mein Kind ruhiger (ich muss dazu sagen, dass ich in der Klinik keine Beruhigungsmittel bekam, sondern nur ein Neuroleptika und mein neues Antidepressiva). Sie schlief sogar, abgesehen von einer Flasche in der Nacht, die ganze Nacht durch. Mit mir waren noch 4 Frauen mit ihren Babys da. Wir gingen spazieren, zusammen zu den Gruppensitzungen und unterhielten uns gut und lange. Und wir bauten uns gegenseitig auf, denn der Therapieerfolg stellte sich nur langsam ein und es gab ständig Auf und Abs. Ich muss auch heute noch sagen, dass die Therapie dort der richtige Schritt in die richtige Richtung war. Der Arzt, alle Schwestern und Therapeuten aus der Klinik haben mich begleitet, mir geholfen und mich unterstützt. Da die Klinik relativ weit weg von unserem Zuhause war, konnte mich mein Mann nur mittwochs und am Wochenende besuchen. Die restliche Zeit war ich mit meinem Baby alleine. Und ich habe es geschafft, mich ganz allein um Emily zu kümmern. Nach zwei Wochen durfte ich das erste Mal übers Wochenende nach Hause. Es war schön in den Armen meines Mannes zu liegen, mit unsrer Tochter spazieren zu gehen und die restliche Familie zu besuchen. Die Tränen zum Abschied waren immer enorm viel. Aber ich nahm mein Kind jeden Sonntag in den Arm und sah meinem Mann zu, wie er traurig das Klinikgelände verließ. Aber ich wusste, für was wir diesen Kampf führten. Auch mein Mann kämpfte um uns von zu Hause aus – er rief täglich an, schrieb viele SMS und war einfach nur da. Er war in dieser schweren Zeit mein Anker, wenn ich drohte, abzudriften. Ich bin ihm heute noch für seine Stärke dankbar. Unsere Familie hielt zusammen. Meine und seine Eltern riefen fast täglich an und machten mir Mut. Nach 7 Wochen haben sie mich aus der Psychiatrie entlassen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, endlich wieder für immer zu Hause zu sein.

Wieder zu Hause

Der Schrecken war aber noch lange nicht zu Ende. Ich wusste von den Ärzten, dass noch ein langer Weg vor uns lag. Eine Wochenbettdepression ist halt nicht nach ein paar Wochen Klinikaufenthalt wieder geheilt. Ich suchte mir eine gute Psychiaterin und fing eine Psychotherapie bei einer Psychologin an. In unserer Nähe wurden Mutter-Kind-Kurse angeboten. Angefangen habe ich mit einer Rückbildungsgymnastik (auch wenn der Zeitpunkt schon etwas spät war), gefolgt von einem Baby-Massage-Kurs. Danach ging ich mit meiner Emily zur Krabbelstunde. Diese Kurse haben meiner Woche eine Struktur gegeben. Ich kam unter Leute und konnte mich mit anderen Frauen austauschen. Von meiner Wochenbettdepression habe ich jedoch niemandem erzählt – zu groß war die Angst vor dem Ausgestoßen-Werden. Ganz langsam wurde ich im Umgang mit meinem Baby sicherer. Ich liebte sie und war froh über jeden Fortschritt, den unsere Kleine machte. Mein Tag kam in geregelte Bahnen, und es stellte sich der Alltag ein. Die Angst-Attacken wurden weniger und das Brechen damit auch. Mein Leben war zu diesem Zeitpunkt ein ständiges Auf und Ab. Mal klappte alles prima, ich fühlte mich gut und konnte mit meiner Emily spielen. Dann gab es wieder Zeiträume, in denen ich mich zwar um mein Kind kümmerte, aber es mir seelisch schlecht ging und ich wieder viel Angst hatte. Immer, wenn es besonders schlimm war, ging ich auf die Seite SCHATTEN-UND-LICHT und las die Erfahrungsberichte von Frauen, die die Krankheit (fast) überstanden hatten. Und sie gaben mir durch diese Berichte Mut und Zuversicht. Die starre Struktur in meinem Tagesablauf gab mir Halt.

1 Jahr danach (18.08.2008)

Es geht mir wieder sehr gut. Die Ärzte hatten Recht behalten: es dauert ungefähr ein Jahr bis alles wieder (fast) so ist wie früher. Am Anfang hatte ich geglaubt, dass überlebe ich nicht. Ich schaffe das bis dahin nicht. Aber mein Mann hat mir immer wieder Mut gemacht. Ich frage mich, woher er diese Kraft nahm. Bei mir hat es mit der Besserung auf den Stichtag genau hingehauen. Natürlich gibt es auch noch mal Momente, in denen es nicht so gut geht. Aber die Abstände dieser negativen Zeiträume werden immer größer und die Dauer immer weniger. Ich nehme auch heute noch mein Antidepressivum. Das Neuroleptikum konnte ich nach 6 Monate Einnahme absetzen. Die Krankheit verändert den Menschen, haben meine Therapeuten gesagt. Mein Arzt hat immer gemeint, ich werde aus dieser Situation gestärkt hervorgehen und durch diesen Zustand innerlich wachsen. Alle haben Recht behalten, auch wenn ich es am Anfang und in schlechten Zeiten nicht glauben wollte. Ja, ich habe mich verändert: neuen Situationen stehe ich ängstlicher als früher gegenüber, da fängt auch das morgendliche Brechen wieder an. Aber das geht wieder vorbei und die Situationen meistere ich. Ich bin eine tolle Mama und gehe für mein Kind auf. Ich liebe meinen Mann und meine Emily, habe wieder Freude am Leben und genieße den Tag. Klar, hab auch ich mal Sorgen, aber das ist doch bei jedem anderen (gesunden) auch der Fall. Meine Tochter ist jetzt 14 Monate alt und ist ein so aufgewecktes Kind. Ich spüre, wie sehr sie mich und meinen Mann lieb hat und sich so freut, wenn sie uns sieht. Sie geht seit einem Monat in die Krippe und ich suche mir eine neue Arbeit. Mein alter Arbeitgeber hat mich nicht wieder eingestellt (ich denke mal, dass liegt an meinem Klinikaufenthalt). Aber auch das werden wir schaffen.

Mein Mann hat, besonders wenn es mir schlecht ging, immer wieder gesagt:

ich bin eine tolle Mama und mein Kind liebt und braucht mich wir schaffen das nie den Mut verlieren nie die Hoffnung aufgeben (fast) alle Frauen wurden wieder gesund – warum soll gerade ich nicht gesund werden? und es wird besser – unmerklich fast, denn es braucht alles seine Zeit Ihr dürft nie vergessen: ES WIRD WIRKLICH BESSER. Ich wollte es am Anfang auch nicht glauben, aber das Leben hat euch bald wieder. Egal wie schlecht es Euch geht, gebt niemals auf, kämpft – egal wie schwer es fällt – und fangt an, Euch an den kleinen Dingen zu freuen. Und das Wichtigste ist REDEN: mit dem Partner, mit dem Kind, mit der Familie, mit den Ärzten und mit Fremden. Es fiel mir am Anfang auch schwer, da es auch jetzt noch ein absolutes Tabu in unserer Gesellschaft ist: Einer Mutter hat es gut zu gehen, sie muss ihr Kind bedingungslos lieben und der Welt stark entgegentreten.

Es ist schlimm, dass man in keinem Geburtsvorbereitungskurs oder in Schwangerschaftslektüren über dieses Thema etwas liest oder hört. Meine Hebamme hat auch niemals mit mir über so etwas gesprochen. Man weiß letztendlich erst viel zu spät, was mit einem los ist.

ES IST KEINE SCHANDE, sich schlecht zu fühlen.

ES IST EINE SCHWERE KRANKHEIT: holt Euch HILFE.

Probiert nicht, es alleine zu schaffen, das ist vertane Zeit.

Bei mir waren es vermutlich verschiedene Auslöser, die zu dieser Wochenbettdepression führten:

Risikoschwangerschaft (vermutlich mit Schwangerschaftsdepression) Schwere Geburt Beschwerliches Wochenbett Schrei-Kind (durch Kiss-Syndrom) Eher ängstliche Persönlichkeitsstruktur, stark stressanfällig Ich hoffe, ich kann der einen oder anderen mit diesem Bericht helfen. Ich kann heute wieder ohne Angst leben und meine Familie genießen. Ich gebe zu, dass ich auf das erste Jahr im Leben meiner Tochter lieber verzichtet hätte, aber dafür ist es jetzt umso schöner.

Zwangsgedanken, Erschöpfung – Klinikaufenthalt (4. Kind)

Eigentlich hatte ich mir das ganz schön vorgestellt mit meinem vierten, zwar nicht geplanten, aber doch freudig erwarteten Kind – die anderen waren ja schon „aus dem Gröbsten heraus“ und verständig, außerdem gut beschäftigt mit Schule und Kindergarten, da würde ich meinen Nachzügler so richtig genießen können.

Aber Carolin wurde ein Schreibaby. Den ganzen Tag und die halbe Nacht trug ich sie herum, wir fanden keinen Rhythmus und ich kam nicht zur Ruhe, denn wenn sie schon mal schlief, musste der Haushalt versorgt, die Geschwister zu Freunden oder in die Musikstunde gebracht oder Hausaufgaben besprochen werden. Und die „großen“ Geschwister benahmen sich gar nicht vernünftig, sondern waren eifersüchtig, stritten um den besten Platz bei Mama und Papa, testeten Grenzen aus und ließen in der Schule nach. Natürlich bekam ich zu wenig Schlaf und viel zu viel Stress. Müde sieht die Welt so verwirrend aus und riesig und gefährlich. Ich fing an, mir Sorgen zu machen um meine Kinder, am liebsten hätte ich sie alle im meinen Bauch zurückgesteckt, damit sie keinen Schaden nehmen in dieser schlechten Welt. Der Tag bestand nur noch aus Arbeit, Mühe und Stress und ich hatte das Gefühl, ich muss immer schneller rennen, um auch nur halbwegs hinterherzukommen.

Irgendwann schreckte ich nachts aus dem Schlaf hoch und konnte stundenlang nicht mehr einschlafen. Dann bekam ich Atembeschwerden, Herzrasen und Nervenprobleme. Manchmal fühlte ich mich, als müsste ich gleich verbrennen, manchmal war es, als stünde ich unter Strom. Nur wenn ich weinte, und das tat ich ziemlich oft, ließ das Nervenbrennen nach. Mittlerweile schlief ich viele Nächte überhaupt nicht, und wenn ich nach Stunden eingeschlafen war, wachte ich bei jedem leisen Geräusch wieder auf. Die Nacht war dann oft vorbei für mich. Ich fühlte mich völlig kraftlos, zu gar nichts mehr fähig und musste mich doch da und dort hin schleppen. Eigentlich rechnete ich jeden Tag damit, dass ich vor Erschöpfung sterben würde, und das wünschte ich mir auch. Einfach nur Ruhe haben und alles ist vorbei. Aber da waren ja die Kinder, ich hatte sie doch auf die Welt gebracht und war für sie verantwortlich. Ich müsste sie doch mitnehmen in den Tod! Ganz ausführlich habe ich mir das ausgemalt in den vielen schlaflosen Nächten, wie ich sie ins Auto packe, wir fahren in die Bretagne bis an die riesigen Klippen an der Küste in Finisterre, dann nehmen wir uns an der Hand und ich sage: „Es tut überhaupt nicht weh!“

Ich wusste inzwischen auch, dass es eine Depression war, was mich so fest in der Zange hatte, aber ich wusste keinen Weg heraus. Heilpraktikerin und Akupunkteur hatten mir Pillen verschrieben, die nicht halfen – eine Kur konnte ich frühestens in drei Monaten bekommen, der Hausarzt konnte nichts feststellen außer einer leichten Abwehrschwäche, und die Psychologin wollte keinen Termin machen, solange ich mein Baby noch stillte und mitbringen müsste. Also rannte ich in meinem Käfig herum und stieß mich doch immer nur an den Stäben wund. Es war die Hölle, das Grauen, die Verzweiflung. Und meine Familie litt mit. Die Kinder waren verwirrt, besonders meine vierjährige Tochter entwickelte unzählige Ängste – keiner wusste genau, was mit mir los war und wie mir zu helfen wäre.

Bis nach fünf Monaten meine Kinderärztin merkte, dass etwas nicht in Ordnung war und zu mir sagte: „Sie brauchen doch Hilfe, nicht die Kinder, gehen Sie doch einmal in die Ambulanz in der Psychosomatik, vielleicht können die etwas für Sie tun!“ Ich bekam dann einen Termin in der Psychiatrie, und als ich dort meine Probleme schilderte, sagte die Psychologin zu mir: „Eigentlich können wir Sie gar nicht mehr nach Hause lassen.“ Sie telefonierte mit meinem Mann und mit der Klinik, und dann hatte ich mein Bett auf der Akutstation. Das war meine Rettung. Ich musste noch drei harte Wochen durchstehen, bis das Antidepressivum zu wirken begann, aber dann ging es steil bergauf, und nach fünf Wochen konnte ich völlig symptomfrei und glücklich nach Hause gehen. Ich hatte einen sehr guten Psychiater, der es verstanden hat, mir immer die nötige Unterstützung zu geben und der mir vertraut hat. So habe ich auch wieder gelernt, auf mich zu hören und meine innere Stimme zu beachten, was mir sehr geholfen hat.

Das Antidepressivum habe ich sehr gut vertragen und die Beruhigungsmittel konnte ich bald wieder absetzen. Auch die vielen begleitenden Therapieformen wie Musik, Sport, künstlerisches Gestalten oder Konzentrationstraining haben mir sehr gut getan. Ich habe in der Klinik viele sehr liebe, interessante Menschen kennen gelernt und sehr intensive und tiefe Gespräche geführt, die für mich sehr wichtig waren. Es war gut zu erfahren, ich kann in die Klinik gehen, wenn ich nicht mehr weiter weiß – ich brauche keine Angst davor zu haben und dort kann mir geholfen werden.

Auch meine Familie war wie ausgewechselt. Carolin hatte sich prima an Papa, Brei und Fläschchen gewöhnt, gleich in der ersten Woche ohne Muttermilch durchgeschlafen und war ein ruhiges und friedliches Baby geworden. Die Geschwister hatten bemerkt, dass man mit ihr viel Spaß haben kann und waren zur Ruhe gekommen, und dass es nicht ganz so sauber war wie sonst, schadete niemandem! Ich konnte gleich anschließend an den Klinikaufenthalt mit den zwei mittleren Kindern in Kur gehen, bekam danach noch vier Wochen eine Haushaltshilfe und begleitende Unterstützung durch eine Familientherapeutin. So unterstützt konnte ich mich sehr gut erholen und endlich mein Baby und seine Geschwister genießen – und das Leben! Wie sah doch allen anders aus mit Kraft und Mut genug zum Leben! Ganz vielen Menschen bin ich unendlich dankbar dafür, dass sie mir geholfen haben, diese schwerste Zeit in meinem Leben durchzustehen und zu überwinden.

Wenn ich im Bekanntenkreis von meiner Krankheit erzählte, hörte ich oft: „Ja, das kenne ich auch!“, „Meine Freundin hatte das“, „Das muss bei meiner Mutter auch so gewesen sein“ und so weiter. Selbst einige meiner guten Freundinnen waren betroffen gewesen, ohne dass ich es gewusst hatte. Depressionen nach einer Geburt sind gar nichts Seltenes, ungefähr zehn bis fünfzehn Prozent aller Mütter sind betroffen! – Aber ich hatte nach vier Geburten noch nie etwas davon gehört. Kein Arzt, keine Hebamme, kein schlaues Eltern-Heft erwähnt diese Hölle. Da musste doch etwas geschehen! Schließlich ist diese Art der Depression sehr gut und sehr schnell heilbar, unzähligen Müttern und ihren Familien könnte durch gezielte Aufklärung unendliches Leid erspart werden.

Durch ein Buch in unserem Mütterzentrum stieß ich auf die Adresse des Vereines „Schatten & Licht“, gegründet von betroffen Frauen und Angehörigen. Der Verein war erst vor wenigen Jahren entstanden und bietet Information, Kontakte und Hilfen bei Krisen nach einer Geburt. Außerdem ist es ein großes Anliegen, das Informationsdefizit in der Öffentlichkeit abzubauen. Genau das, was ich suchte! Im Oktober letzten Jahres nahm ich an der Jahresversammlung des Vereines teil, lernte viele starke und mutige Frauen kennen und erhielt viele Anregungen und Informationen zur Gründung einer Selbsthilfegruppe, die es bei uns noch nicht gab.

Bis ich in Bewegung kam, hat es noch einige Zeit und ein paar Anschubser gebraucht, zum Beispiel den Anruf einer akut betroffenen Frau, die meine Adresse über das Internet bekommen hatte, oder der Einladung über das Mütterzentrum zu einem Forum für Selbsthilfe-Initiativen. Im März konnte ich einen kurzen Bericht über mein Anliegen in der Zeitung veröffentlichen, was viel Resonanz und den entscheidenden Anstoß zur Gründung einer Selbsthilfegruppe gegeben hat. Inzwischen habe ich etwa zehn Frauen besucht, mit einigen intensive Telefongespräche geführt, und acht Frauen wollen sich regelmäßig treffen. Wir hatten mittlerweile vier Treffen, wo wir uns kennengelernt, unsere Babys bewundert und in sehr offener und liebevoller Atmosphäre unsere „Leidensgeschichten“ ausgetauscht haben. Es war sehr schön für mich zu sehen, wie vertrauensvoll „meine Frauen“ miteinander umgingen, und auch, wie viel besser es der einen oder anderen mit der richtigen Therapie ging. Einen Raum für unsere Treffen und gleichzeitig ein Informationsforum bietet unser Mütterzentrum.

Für die Zukunft haben wir noch viel vor, zum Beispiel Informationsarbeit bei Ärzten, Hebammen und Vereinen, den Austausch über geeignete und ungeeignete Therapieformen und Therapeuten, und noch einmal einen größeren Bericht in der Zeitung. Wir sind alle sehr motiviert und wünschen uns ganz viele offene Ohren für unser Anliegen!

Realitätsverlust, Wahnvorstellungen – Klinik (1. Kind)

Kinderwunsch trotz schwerer Psychosen

In den letzten zehn Jahren hatte ich vier schwere Psychosen. Die letzte Psychose begann drei Tage nach der Geburt unserer Tochter Paula im Juni 2006. Falls wir uns noch einmal für ein Kind entscheiden sollten, werden wir einiges anders machen.

Bevor ich schwanger wurde, setzte ich mich schon intensiv mit dem Thema Kinderbekommen auseinander. So fand ich z.B. im Internet ein Institut, bei dem man sich erkundigen kann, obbestimmte Medikamente während der Schwangerschaft oder Stillzeit für das Kind schädlich sind. (Embryonalforschung Embryotox: www.embryotox.de )Dort erfuhr ich, dass ich mein Medikament ohne Probleme weiternehmen kann.Außerdem suchte ich nach Literatur zu dem Thema psychische Erkrankungen und Kinderwunsch, wurde jedoch nicht so richtig fündig.Dann wurde ich schwanger. Ich genoss die Zeit sehr – auch wenn ich immer mal wieder gestresst war und dachte, ich müsste Geld verdienen. Was übrigens immer noch so ist, obwohlich als Hausfrau und Mutter sehr glücklich bin und wir von dem Gehalt meines Mannes gut leben können.

Ich war glücklich, freute mich auf unser Kind und war stolz auf meinen dicken Bauch. Und nun kommt das Paradoxe. Obwohl uns klar war, dass nach der Geburt eine Psychose kommen könnte, spielten wir diesen Fall nie richtig durch. Was machen wir, dass ich genug Schlaf bekomme, wo doch Schlafentzug der Auslöser schlechthin ist? Wer betreut Paula, falls ich in die Klinik muss? Gibt es vielleicht sogar eine Klinik, die Mutter und Kind aufnehmen? Gibt es eine Möglichkeit die Geburt so zu gestalten, dass sie nicht zu stressig wird? Jetzt im Nachhinein gesehen hätten eigentlich die Hebammen, der Frauenarzt und meine Psychiaterin mich besser darauf vorbereiten können, sie wussten ja von meiner Erkrankung. Es ist schwer zu sagen, was der Auslöser dieser schweren Psychose war. Hormone, Schlafentzug, Stress… . Ich weiß es nicht. Es ist nicht rückgängig zu machen und vielleicht war es auch für irgendetwas gut. Aber sollten wir noch ein Kind bekommen, wird es wahrscheinlich per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, was enorm viel Stress vermeiden wird, und es wird auf jeden Fall ein Flaschenkind werden. So bekomme ich genügend Schlaf, und mehr Unterstützung durch meinen Mann, Familie und Freunde.

Die Geburt war sehr anstrengend. Sie dauerte sehr lange und am Ende kam Paula dann doch per Kaiserschnitt auf die Welt. Die Erinnerung an die Zeit im Krankenhaus ist sehr vage, die Grenze zwischen Normalität und Psychose war fließend. Nach ungefähr drei Tagen war klar, dass ich in die Psychiatrie gehen muss. Drei Monate war ich dort stationär. In dieser Zeit versorgten mein Mann, meine Mutter und Freunde die kleine Paula. Mein Mann kam mich jeden Tag besuchen und brachte Paula oft mit. Doch schon bald verlor ich den Zugang zu meiner Tochter, ich reagierte kaum noch auf sie. Wahrscheinlich ausgelöst durch die Menge an Medikamenten, die in mich „reingepumpt“ wurde. Selbst nach meiner Entlassung konnte ich Paula nicht voll und ganz annehmen.

Ganz langsam, schleichend, schloss ich sie in mein Herz. Sie ist jetzt zwei Jahre alt und ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. So sah es in mir drinnen aus: Freude. Freudige Erwartung auf die Geburt, keine Angst, eher Neugierde. Dann die Wehen. Atmen, Wehen, Atmen, Wehen, fast wie in Trance. In den Pausen zwischen den Wehen Entspannung, totale Entspannung. Immer wieder ins Wasser in die Wanne. Kein Zeitgefühl. Es tut sich nichts, es geht nicht vorwärts. Dann der Entschluss, mein Entschluss: ich möchte einen Kaiserschnitt. Lachen…lustig, wie es wackelt – die ganze Liege wackelt, zum Glück sehe ich nichts. Und dann ist sie da – Paula – und mit ihr die Liebe und das Glück.

Zeitlosigkeit, stillen, Schmerzen vom Kaiserschnitt, stillen, „Rooming-In“!! Dann irgendwann fange ich an, sie abzugeben an die Schwestern. Dann die Nacht gezeichnet von Schmerzen. Das Kind schreit. Schreit vor lauter Blähungen. Ich singe, wiege, Schnuller, schreien, Schmerzen, singen, „The river is flowing!“ Wie in Trance. Zeitlosigkeit. Nächster Tag: Wutentbrannt stampfe ich barfuß zur Pforte. „Wo ist der Koch?“ Ich brülle: „Was fällt ihm ein, blähendes Essen zu kochen?“ Ich renne nach draußen, lasse einen Urschrei los…

Irgendwann sind sie alle da: Mama, Papa, mein Mann – sie bringen mich in die Psychiatrie. Ich kenne die Station, altbekannt von damals. Sitze am selben Platz. Rückkopplung. Namen verwirren mich. Die ersten Tage schlafe ich auf dem Flur, „Campingurlaub“ und „Aktiv – Passiv – Rauchen“. Ich mische die Station auf. Bin rastlos, zeitlos, kinderlos. Schmiere mich mit Butter ein – das soll doch gut für die Haut sein, sagt man doch, oder?! Sie müssen mich ans Bett fesseln, ich will es selbst. Ich bin laut, knalle Türen, habe Angst zu sterben. Dann komme ich auf ein Einzelzimmer: „Hotelurlaub All-Inklusive“. Habe immer noch wahnsinnige Angst vorm Tod.

Paula rückt immer weiter weg von mir. Dann ein letzter Versuch, ihr nahe zu sein. Ich reiße aus – laufe nach Hause – will zu meinem Kind. Mit einer schweren Reisetasche bepackt mache ich mich auf den Weg – zu Fuß, mit der Bahn, irgendwann barfuß und die Tasche stelle ich am Straßenrand ab. Mein Mann sammelt mich ein und bringt mich zurück. Ab da vergesse ich Paula immer mehr. Alles andere ist wichtiger. Ich möchte Schriftstellerin werden, nicht Mutter. Ich möchte Künstlerin werden, nicht Mutter. Ich möchte Philosophie studieren und nicht auf das Kind aufpassen. Die Wochen vergehen. Ich rauche wie ein Schlot. Schreibe unsinnige Sprüche auf, esse viel und lebe auf Station wie in einem Ferienlager. Die Mitpatienten werden meine Freunde. Ich bekomme viel Besuch, telefoniere viel und sehe Paula jeden zweiten Tag. Aber sie ist weit weg. Ich bin zu sehr mit mir selbst beschäftigt. „Die volle Dröhnung bitte“, sage ich bei der Medikamentenausgabe. Und diese Dröhnung treibt mich immer weiter weg von meinem, von unserem Kind.

Ich weiß nicht wann. Aber irgendwann beginnt die Welt wieder klar zu werden. Warum, keine Ahnung. Ich kann immer öfters nach Hause, sogar über Nacht. Und langsam entsteht wieder eine Verbindung zwischen mir und Paula. Zunächst ein dünnes Band, das mit der Zeit immer fester, immer dicker werden wird. Und dann werde ich entlassen. Anfang Oktober, nach drei vollen Monaten, in denen ich sehr viel erlebt habe.

Paula und ich wachsen auch heute noch immer mehr zusammen. Ich denke, das ist ein Prozess, den alle Mütter durchmachen. Nur in unserem Fall hat sich das Zusammenwachsen nach hinten verschoben. Ich bin nun einfach glücklich, dass meine Mutterliebe wieder ganz da ist. Paula ist ein tolles Kind. Sie ist so fröhlich, ausgelassen. Sie hat ihren eigenen starken Willen. Unsere Freunde und Familie bilden ein starkes soziales Netz in dem sie aufwächst. Meine Mutter hilft uns sehr viel, und Paula liebt ihre „Moma“. Die Psychose rückt immer weiter weg, und dennoch ist sie latent immer da. Sie kann jederzeit wieder kommen. Aber ich habe keine Angst mehr davor. Ich tue alles dafür, dass sie nicht wieder kommt. Aber sollte sie uns nochmal heimsuchen, weiß ich, dass wir es meistern werden.

Manie, Angst, Realitätsverlust – Klinik (1. Kind)

Die Schwangerschaft war wundervoll. Es waren wahrscheinlich die schönsten neun aufeinander folgende Monate meines Lebens. Ich war sehr glücklich und schwebte auf Wolke sieben. Ich war sehr stolz auf meinen Babybauch. Ich hatte keine Anzeichen von Übelkeit oder was man sonst als Leiden der Schwangerschaften kennt.

Bei der Entbindung ging im Prinzip auch alles ganz gut. Sie dauerte nur sehr lange (Wehen von unterschiedlichster Intensität und Regelmäßigkeit über 24 Stunden).

Während der zwei Nächte vor der Entbindung konnte ich nur extrem wenig geschlafen. Früher habe ich oft viele Nächte durchgefeiert, und Schlafmangel war nie ein Problem. Aber das war nun anders.

Als mein Sohn nun auf der Welt war, schlief ich nachts nicht viel und bald immer weniger.

Nur wenige Tage nach der Entbindung hatte ich nachts einen Gedanken zwischen Schlaf- und Wachzustand an meine Großmutter, die auch im Krankenhaus lag und dachte mir, dass ich nicht wollte, dass meine Großmutter wegen der Geburt meines Sohnes sterben müsste. Dieser abstruse und alarmierende Gedanke war der erste von vielen, die leider daraufhin folgten. Als sich mein Mann Stunden später verletzt von einem Unfall im Krankenhaus einfand, dachte ich nur so: „Oh, nein, aber er doch noch viel weniger.“ Diese Gedanken begleiteten mich unterschwellig etwa zwei Wochen.

Zunächst wurden die unrealistischen Gedanken aber von einer manischen Antriebssteigerung überdeckt. Ich war so aufgekratzt, kam einfach nie richtig zur Ruhe. Ich hatte ein Jetlag-Gefühl, das einfach nicht weg wollte. Ich sprudelte über vor Energie, die irgendwie nicht wirklich meine war. Nachts schlief ich immer weniger, oft schrieb ich meine mehr oder weniger abstrusen Gedanken auf, um sie nicht zu vergessen, denn irgendwie schienen sie sehr wertvoll zu sein. Andererseits tat ich es auch, um sie loszuwerden und endlich schlafen zu können. Später habe ich die Aufzeichnungen beschämt und entrüstet weggeworfen.

Irgendwann schlug die Unruhe in panische Angst um. Mit meiner Umwelt konnte ich schließlich nicht mehr viel anfangen. Meine Gedanken zogen mich in grausame Tiefen. Am gleichen Tag brachten mich meine Angehörigen in die Psychiatrie. Meine Familie hatte meine Veränderung zwar bemerkt, aber so wie ich gehofft, dass es bald von selbst besser werden würde. Aber wenn eine ‚Verstimmung‘ nicht nach einer Woche abgeklungen ist, sollte man dringend ärztliche Hilfe suchen.

Das richtige Bewusstsein dafür, dass ich erkrankt war, hatte ich erst, als mich meine Schwester in der Psychiatrie besuchte und mir erklärte, dass ich eine Stoffwechselkrankheit hätte. Meine Familie war sehr stark. Die Medikamente schlugen sofort an. Ich schlief immer mehr und die Gedanken wurden klar und vernünftig. Nach 19 Tagen wurde ich entlassen.

Ich denke nicht, dass mein Sohn oder die Beziehung zu meinem Sohn darunter gelitten hat. Während meines Klinikaufenthalts war er bei seinen Großeltern. Ich hoffe und denke wirklich, dass er von meiner Verwirrung nicht viel mitbekommen hat.

Noch neun Monate lang habe ich zwei Medikamente in zunächst hoher Dosierung genommen. Die haben mich gedämpft und verlangsamt (in Bewegung und Gedanken). Mein Baby und ich haben tagsüber viel zusammen geschlafen. Aber viele Bekannte hatten ein Problem mit meiner ‚Verlangsamung‘. Meine früher beste Freundin hat mir viel später dann erklärt, dass sie nicht wusste, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollte und dass sie erst den Weg zu mir ‚zurück‘ finden müsste. Bei anderen hatte ich den Eindruck, dass sie es vermeiden wollten, mit mir alleine zu sein. Im Prinzip stand, außer meiner Familie, nur eine Freundin auch in der schlechten Zeit fest zu mir.

Leider glauben immer noch viele, es handele sich da um eine lebenslange Geisteskrankheit und wollen nicht verstehen, dass es sich um eine sehr gut heilbare Krankheit handelt. Ich traue mich nicht, offen und ehrlich zu antworten, wenn ich ganz unvermittelt nach meiner weiteren Familienplanung gefragt werde. Ich fürchte, dass die Antwort leider auch heute noch zu sehr schockieren würde und die Menschen mich dann nicht mehr mit denselben Augen sehen würden. Ich wollte immer eine große Familie haben, aber man bekommt natürlich nicht immer, was man will. Ich versuche zurzeit mit Hilfe des Vereins Schatten und Licht e.V., meine Risiken einzuschätzen. Allen Betroffenen lege ich den Besuch der Internetseite an Herz. Sie ist sehr umfassend und hilfreich.

Selbstzweifel, Ängste – Mutter-Vater-Kind-Kur, Gesprächstherapie (1. Kind)

Vorgeschichte:

1994 hatte ich schon einmal eine schlimme Krise. Früher waren für mich die Meinungen anderer ganz wichtig. Mein Selbstwertgefühl war zu dieser Zeit total im Keller. Ich hatte Angst- und Panikattacken. Auch eine Schilddrüsenstörung wurde in dieser Zeit festgestellt – leider sehr spät, so dass ich mich sehr lange auch körperlich schlecht gefühlt hatte. Es folgte Psychotherapie und OP der Schilddrüse, die medizinisch dann ok war. Aber bei mir war nichts mehr so wie vorher – ich hatte vegetative Beschwerden und es dauerte seine Zeit, bis ich wieder zu mir fand.

Richtig sicher und selbstbewusst war ich (nun im Nachhinein betrachtet) aber auch da noch nicht. Das – muss ich sagen – kam erst nach der PPD, aus der ich für die Zukunft viel gelernt habe.

PPD:

Mein Sohn ist jetzt 7 Jahre alt und ich liebe ihn über alles – das war auch während der PPD so, nur hatte ich so viel mit mir selbst zu tun, dass ich einfach nicht diese Liebe frei leben konnte. Ich sah nur den Berg vor mir, den ich nun nicht mehr allein besteige. Ich musste mich erst einmal an diese „Mutterrolle“ gewöhnen.

Schon vor der Schwangerschaft war ich mir nicht ganz sicher, ob ich das wohl so hinbekommen würde – ganz viele Gedanken schon im Vorhinein – ich war schon zu sehr bei der Situation Geburt und sogar schon Kindergarten/Schule? Doch trotzdem wollte ich so gerne ein Kind – habe mich gestärkt genug gefühlt. Und dann klappte es ganz schnell: ich war schwanger. Ich habe mich riesig gefreut.

Doch schon kurz danach kamen die Zweifel: ob das wohl gut geht? Diese Gedanken katapultierten mich wieder in die Zeit von 1994. Die Selbstzweifel, Ohnmachtsgefühle und auch körperliche Beschwerden kamen wieder. Ich fragte mich und redete mir ein, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich nicht schwanger geworden wäre. Auch mein Kind hätte es besser, wenn ich „Gedankenverlorene“ nicht seine Mutter werden würde. Das Karussell in meinem Kopf drehte sich unaufhörlich. Ich konnte nicht gut schlafen, hatte Alpträume, dachte das Kind bekommt durch meine „Verrücktmacherei“ nur Schaden.

Die Geburt war dann für mich auch kein schönes Erlebnis. Ich hatte keine gefühlvolle Hebamme, musste anschl. noch zur Not-Ausschabung, mein Kleiner kam für 24 Std. in eine Kinderklinik, weil er am 3. Tag noch kein Pipi gemacht hatte. „Fettnäpfchen“ gab es genug und ich bin natürlich auch in jedes getreten. Schon dort war ich nicht ich selbst, ich stand irgendwie neben mir und mein Kind bzw. meine Rolle als Mutter war mir fremd. Ich habe viel geweint, da schon eine Fassade aufgebaut. Ich dachte da aber noch: „Naja, so ist halt Baby-Blues! Das geht ja nach 2 Wochen vorbei. Es ist ja normal, wenn ich mich jetzt noch so fühle.“ Meine Gedanken aber, die haben mich fertig gemacht.

Wieder zuhause wäre ich am liebsten fortgelaufen. „Und dann“, fragte ich mich. Nein, quatsch, das wollte ich auch nicht. Ich versuchte, ALLES – was auch immer das ist – richtig zu machen. Dabei stand ich mir selbst im Weg. Ich habe zu viel in die Zukunft gedacht, das JETZT konnte ich nicht genießen. Und das sog. „Muttersein“ auch nicht, diese Verantwortung war zu viel für mich. Ich dachte, wenn er nicht geboren wäre, wäre es gewiss besser gewesen. Ich war der Meinung, das schaffe ich nicht. Wer weiß, was noch kommt? Grübelei ohne Ende, obwohl ich doch gar keinen Grund dazu hatte.

Und als mein Mann arbeiten ging, war ich ALLEIN. Ich habe zwar soweit alles erledigt (wie Haushalt, Kind versorgen), gefühlt habe ich mich aber „wie neben mir stehend“. Alle anderen haben dank der guten Maskerade nichts gemerkt. Insgeheim war ich ängstlich, genervt, gestresst und habe viel geweint. Die Phasen wechselten, manchmal dachte ich auch: jetzt geht’s wieder. Meinem Mann konnte ich mich anvertrauen – das konnte ich die ganze Zeit, aber trotzdem kam ich mir irgendwie allein vor (weil nur ich es mir so schwer machte).

Ich habe mich ganz schwer an das Alleinsein mit meinem Sohn gewöhnen können. Ich habe die Tage gut verplant, immer so, dass ich etwas vorhatte. Besuch war mir nicht so recht, da hatte ich Angst, ich kann meine Maskerade nicht mehr wahren. Alle waren so happy – und ich? Ich hatte Angst, etwas „falsch“ zu machen.

Es hat mich fertiggemacht, zu überlegen, ob ich auch alles habe und was ich noch organisieren und erledigen muss. Nachts lag ich wach. Das Baby schlief. Auch tagsüber hat er viel geschlafen und diese vorgegebenen 4 Stunden Stillabstand damit eingehalten. Aber mir fiel die Decke auf den Kopf. Ich versuchte, wenigsten in der Zeit, in der er schlief, etwas Schlaf nachzuholen, aber das ging nicht. So habe ich mich selbst fertiggemacht und irgendwie Beschäftigung gesucht. Ich musste auch immer etwas „Nützliches“ tun, nicht einfach nur Fernsehen oder einen Roman lesen. Nein, es musste in Zusammenhang mit dem Muttersein stehen, d.h. nützliche Elternzeitschrift lesen, Haushalt. Ich habe gestillt, wollte es auch genießen. Aber mein Baby war sehr unruhig dabei und es hat ewig gedauert. Und auch da dachte ich im Karussell: „Reduziere ich, wann kann ich ganz aufhören? Aber morgens früh nur, wäre doch ganz schön?! – und nicht den ganzen Tag. Aber warum dann nur morgens – du stellst dich doch an!“

Ich war immer froh, wenn mein Mann wieder zuhause war. Eigentlich war ich froh, den Kleinen auch mal ihm zu überlassen – und trotzdem viel es mir schwer, dies zu tun. Gönnte ich mir mal eine Auszeit, hatte ich noch ein schlechtes Gewissen. Hilfe von Familie und Freunden habe ich nicht annehmen wollen. Dabei wäre es so einfach gewesen, das auch anzunehmen und zu genießen. Mir wäre es damals lieb gewesen, wenn ich mal in aller Ruhe einen Stapel Wäsche hätte bügeln können und jemand hätte mein Baby spazieren gefahren. Später war mir klar, dass ich dies damals sogar meinen Eltern verwehrt habe, nur weil ich dachte, ich wäre nun Mama und müsse mich auch selbst kümmern. Erst als er 1 Jahr alt war, hat er dort zum ersten Mal geschlafen. Dabei hätten sie sich auch so gefreut darüber, ihn mal zu verwahren.

Schlimm war auch, dass jeder nach dem Befinden von unserem Kind fragten: „Schläft er schon durch?“ „Ja, das tut er – haha“, dachte ich, „ICH ABER NICHT!“ Ich dachte, warum interessiert das niemanden? Heute weiß ich, dass ich auf eine solche Frage geantwortet hätte: „Nein, ich bin müde und ich schaffe es nicht so gut.“ Davor hatte ich aber Angst und dachte, das steht mir auch gar nicht zu, weil ich mich doch nach 4 Wochen eigentlich an das Muttersein gewöhnt haben müsste. Das ist genauso, wie man auf die Frage: „Wie geht’s?“ auch nur belanglos antwortet: „Gut!“ Aber in Wirklichkeit ist es ja meist nicht so. Und andere wollen das auch oft gar nicht so genau wissen.

Aber für diese Gefühle, Fragen und Antworten gibt es Verein Schatten und Licht: Frauen, die genauso denken, die sich kein Urteil erlauben und auch NUR zuhören können. So war ich damals überglücklich, dass meine Hebamme die SHG hier bei uns kannte. Dort bin ich dann hin. Endlich traf ich Mütter, die ähnlich empfanden, dort konnte ich alles erzählen. Ich habe mich verstanden gefühlt und war nicht mehr so allein.

Mit Mutter/Vater-Kind-Kur (mein Mann kam mit – allein hätte ich es zu der Zeit noch nicht geschafft ), Gesprächstherapie, Alternativmedizin, Entspannungstechnik (Yoga vor allem) und durch „mich wieder öffnen“ wurde ich wieder ICH SELBST und noch mehr. Gewachsen bin ich auch. Da merkte ich erst, wie viele Mütter es doch eigentlich gibt, die in gewisser Weise mehr oder weniger „Probleme“ haben. Und wie „normal“ ich doch eigentlich bin. Und so nach und nach merkte ich auch, wie viel ich doch schaffe und wo meine Entscheidung und Gefühl richtig waren. Heute ist mir endlich klar, dass ich so bin wie ich bin. So wie ich denke und fühle, akzeptiere ich mich. Inzwischen weiß ich, was mir wieder gut tut. Es fällt mir nicht mehr schwer, etwas für mich zu tun (sei es Nichtstun oder Arbeit). Auch meinen Sohn kann ich mit ruhigem Gewissen abgeben. Ich habe neue Hobbys, Aktivitäten wieder neu entdeckt oder manches ganz neu angefangen.

Mein Kind gibt mir so viel zurück. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass er gar nicht mehr da wäre. Und ich habe ihm auch einiges mitgegeben. Weil ich es schaffe, zuzuhören, fällt es mir leichter, auf ihn einzugehen. Und ich denke, so wird auch er mit anderen später umgehen. Ich kann mir nun Meinungen anderer anhören, ohne gleich an meinem Selbstwertgefühl zu zweifeln.

Immer mehr merke ich, welche verbohrten Gedanken und Meinungen in unserer Gesellschaft herrschen. Das kann ja nur Verunsicherung und Angst mit sich bringen. Und wer wäre da besser als Angriffsfläche zu nutzen als wir zum ersten oder wiederholten Male werdenden „frischen“ Mütter.

Da gibt es für keine eine Norm, der man entsprechen muss!

Ich möchte allen Mut machen, über Gefühle zu reden (zumindest erst einmal hier unter uns und bei nahestehenden Personen). Nach und nach auch bei anderen Menschen. Ansonsten auch einmal zu sagen: „Ich will“, „NEIN“ und „JA“ und „Bitte“.

Ich finde es wichtig, zu merken, was einem gut tut.

Zwangsgedanken – Klinik, ambulante Tagesklinik (1. Kind)

Im März kam mein kleiner Sonnenschein Joe zur Welt. Es war eine schwere Geburt (32 Stunden – noch einmal muss ich das nicht haben). Nach 3 Tagen Krankenhaus sind wir dann nach Hause, und da fing der Spaß dann erst richtig an. Ich weinte nur noch, wusste gar nicht, was ich mit dem Kleinen anfangen sollte, hatte keine Hilfe, und meinte, ich müsste alles alleine schaffen. 2 Wochen ging das gut, dann ging irgendwie gar nichts mehr.

Ich konnte nicht mehr schlafen, und mich überkamen diese fiesen Gedanken. Ich rief eine Hebamme an, und die brachte mich dann in eine Nervenklinik. Ich dachte, jetzt bin ich total verballert, und das geht nie wieder weg. Joe war dann 4 Wochen bei mir, aber da die Klinik nicht auf einen Säugling eingestellt war, entschied die Ärztin, dass es wohl besser wäre, wenn mein Mann den Kleinen mit nach Hause nimmt. Das hat auch gut funktioniert, großes Lob an meinem Mann, der das alles tapfer durchgehalten hat. Jeden Tag heulte ich den Schwestern und Ärzten die Ohren voll, dass ich eine schlechte Mutter bin, meinen Kleinen niemals lieb haben werde und immer diese ZG haben werde. Ich bekam sehr viel Verständnis und Zuspruch, dafür bin ich sehr dankbar.

Nach einigen Wochen wurde es dann langsam besser, ich entschied mich in die Tagesklinik zu gehen, um wenigstens abends zuhause zu sein. Ich fing an, darüber nachzudenken, warum ich so krank geworden bin, die Therapien haben mir sehr geholfen, das Chaos in meinem Kopf zu sortieren. Ich habe die ZG einfach zugelassen, und plötzlich war es auch gar nicht mehr so schlimm. Und die waren wirklich kaum auszuhalten in meiner schlimmen Zeit. Was wir Frauen, die davon betroffen sind, aushalten müssen, kann sich keiner vorstellen, der das nicht erlebt hat.

Ich bin jetzt 4 Wochen wieder zuhause, mit geht es von Tag zu Tag besser. Sicher sind einige Tage auch sehr anstrengend, aber das Leben mit einem Kind fordert einen auch sehr, und das ist auch ganz normal. Mütter müssen nicht immer mit einem Grinsen und quitschvergnügt durch die Gegend laufen. Wäre schön, wenn das immer so sein könnte…, aber sicher auch ein Stück weit unrealistisch. Steht zu Euren Schwächen, denn das ist Stärke.

Ich gehe jeden Tag viel spazieren, treffe so allerhand Mütter. Da gibt es die einen, bei denen alles immer super ist – wie machen die das bloß, frage ich mich dann. Kann doch nicht sein. Wenn ich dann von meiner Wochenbettdepression anfange zu erzählen, siehe da, plötzlich öffnen sich ganz viele und outen sich, und dann denke ich, schön dass man sich so austauschen kann.

Ich habe wieder mit einer Therapie angefangen, ich dachte ich hätte mein Kindheitstrauma (schlimme Familienverhältnisse) verarbeitet, aber diese Krankheit hat mir gezeigt, dass ich sehr unter der schlechten Beziehung zu meiner Mutter leide. Sie hat mich immer abgelehnt, und in meiner Schwangerschaft hatte ich daran richtig zu knacken. Habe es aber immer wieder weggeschoben, habe viel gearbeitet, um bloß nicht nachdenken zu müssen. Bis dann der große Knall kam. Ich glaube, wenn man selber Mutter wird, dann findet ein Ablöseprozess von der eigenen Mutter statt. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben damit zugebracht, mich nach der Zuwendung und Anerkennung meiner Mutter zu sehnen. Jetzt muss ich mich davon lösen, und dieser Prozess ist sehr schmerzhaft. Aber nur wer verzeihen kann, ist frei für sein eigenes Leben. Ich habe mir vorgenommen, wenn es mir mal wieder so richtig gut geht, meine Vergangenheit auf einen Zettel zu schreiben und diesen dann zu verbrennen. Abschied nehmen von der schlimmen Vergangenheit und frei zu sein für meinen Sohn und für ein tolles Leben, das auf uns alle wartet. Wir müssen es nur sehen ….. „Die Qualität Deines Lebens hängt von der Beschaffenheit Deiner Gedanken ab.“

Selbstzweifel, Zwangsgedanken – ambulante Therapie (2. Kind)

Nachdem ich die Berichte hier gelesen habe, möchte ich meinen doch auch dazuschreiben, da viele Frauen hier von Antidepressiva und sonstigen Medikamenten schreiben, die mir als Therapie nie vorgeschlagen wurden, obwohl ich nach der Geburt meines 2. Kindes unter einer schlimmen und lang andauernden Postpartalen Depression litt.

Was dann kam, war ein Jahr Psychotherapie mit allen Höhen und v.a. Tiefen, anschließend ein knappes halbes Jahr Paartherapie zusammen mit meinem Mann und im Anschluss daran unsere sehr gut überlegte, aber v.a. gefühlsgeleitete Entscheidung zu unserem 3. Kind.

DIE ZEIT NACH DER GEBURT – ZWEI VÖLLIG UNTERSCHIEDLICHE ERFAHRUNGEN:

Nach der Geburt unseres 1. Kindes (ein „Wunschjunge“) ging es mir blendend: Tag 3-5 waren die klassischen Heultage, aber nicht sehr stark ausgeprägt. Ich erlebte mich nervlich „durchgeschüttelt“, aber das tiefe Glücksgefühl über unser Kind überwog ganz klar. Und das, obwohl es ein ungeplanter und unerwünschter Kaiserschnitt geworden war, den ich allerdings körperlich enorm gut wegsteckte und sehr schnell wieder sehr fit war. Den Alltag mit Kind empfand ich als gemütlich und total angenehm: ein pflegeleichtes Baby, das unser ganzer Stolz war, eine gelungene Umstellung unserer Paarbeziehung auf „Elternschaft“ ohne Verluste im Sexualleben, ich fühlte mich jederzeit allen Situationen mit unserem Kind gewachsen und empfand ein tiefes Glücksgefühl über meine Lebenssituation. Vor der Geburt/ Schwangerschaft war ich eine sehr starke, belastbare und erfolgreiche Frau gewesen, die allerdings extrem perfektionistisch und stets von geheimen Selbstzweifeln geplagt war (davon wussten nur sehr, sehr wenige Menschen). Nun schienen mir alle Lebenswünsche in Erfüllung gegangen, und ich hoffte auf ein dauerhaftes Nachlassen dieser elenden Selbstzweifel. Schnell wurde ich wieder schwanger, und anderthalb Jahre nach der ersten Geburt kam unser 2. Sohn, diesmal per Wunschkaiserschnitt, zur Welt. Wieder Tag 3-5 Heultage, diesmal allerdings mit konkreten „Sorgen“: Wie würde unser Erstgeborener mit der „Entthronung“ fertig? Wie sollte ich als Einzelkind es schaffen, beiden Geschwistern gerecht zu werden in alltäglichen Eifersuchts- und Konkurrenzsituationen? Schließlich fehlte mir jegliche Erfahrung… Diese Sorgen hatten mich bereits während der zweiten Schwangerschaft wirklich geplagt; mein Einzelkind-Dasein war eine stete Belastung in meinem Leben, und ich hatte immer von vielen eigenen Kindern geträumt, um ihnen dies zu ersparen. Und nun stand ich da mit „einem guten Anfang“ für den „Viele Kinder-Plan“ (nämlich schon Zweien) und traute mich nicht ran an die Aufgabe! Alle Bücher, die ich zum Thema Geschwisterkonstellationen etc. während der Schwangerschaft verschlungen hatte, schienen mir nun hohl und leer, und niemand verstand meine Verzweiflung, vor einer Aufgabe zu stehen, der ich mich nicht perfekt gewappnet fühlte. Die üblichen gutgemeinten Ratschläge, man solle sich locker machen, andere hätten das auch schon geschafft, mein Instinkt werde mich schon richtig leiten, mit der Zeit werde ich schon sehen, dass sich alles einspiele…, verpufften völlig in mir. Dazu kam, dass unsere gesamte Lebenssituation deutlich stressiger als beim ersten Kind geworden war: Wir hatten zeitgleich zur zweiten Geburt ein Haus gekauft, das groß umgebaut werden musste. Ein halbes Jahr nach der Geburt sollte der Umzug stattfinden, und parallel ergab sich noch der Wechsel meines Mannes zu einer neuen Firma mit einem in jeder Hinsicht deutlich anspruchsvolleren Job. Rush Hour!

DEPRESSION Im Gegensatz zum völlig entspannten ersten Jahr mit unserem 1. Kind standen wir nun ständig unter Strom, und das mit einem Anderthalbjährigen und einem Säugling zu Hause… Ich funktionierte zwar und bekam alles Organisatorische der Kinderversorgung (Schlaf- und Essenszeiten, ständig zwei Kinder „am Bein“ mit noch sehr hohen individuellen Anforderungen an die Mutter) recht gut in den Griff, aber in mir breitete sich eine so abgrundtiefe Verzweiflung, Traurigkeit und Unzufriedenheit dauerhaft aus, wie ich sie nur aus einsamsten Momenten in unglücklichen Singlezeiten kannte.

Morgens aufzuwachen und den Weg unter die Dusche zu schaffen, glich der Anstrengung eines Marathonlaufs, vom Rest des Tages ganz zu schweigen. Die doch so geliebten und gewünschten Kinder raubten mir den letzten Nerv, oft saß ich schon morgens um halb acht das erste Mal heulend auf der Couch und sah den Tag als bedrohlichen Riesenberg vor mir. Inseln der Erholung waren mir nur die paar Stunden, die ich mal einen Babysitter hatte, der mir die Kinder abnahm – ich sehnte mich nach Ruhe und Zeit für mich allein, die ich dann aber nur zu oft vor mich hin grübelnd und vor emotionaler Erschöpfung heulend, geplagt von Selbstvorwürfen und -zweifeln verbrachte. Nachts quälten mich schlimmste Albträume, in denen ich meinen 2. Sohn im Maxi Cosi irgendwo stehen ließ, mich dann später nicht erinnern konnte, wo ich ihn stehen ließ. Und als ich ihn schlussendlich wiederfand, war er allerdings tot wegen Mangelversorgung durch mich… Tagsüber beim Autofahren hatte ich oft den Impuls, das Lenkrad herum zu reißen und endlich meine Familie von mir zu befreien – JEDE andere Frau, die mein Mann nach einer Trauerphase fände, würde den Job schließlich besser machen als ich…

HEILUNG Hiervon erzählte ich meiner Nachsorgehebamme, die mir zu einer Psychologin riet und mir im Internet „Schatten & Licht“ empfahl. Im Internet informierte ich mich sofort und stellte fest, dass ich hinter jedes der beschriebenen Symptome einer Depression einen Haken setzen konnte. Den Gang zur Psychologin schob ich noch einige Monate vor mir her… Schließlich gab es so viele Gründe, die sich vorschieben ließen: keine Zeit, zu teuer, wird schon von alleine weggehen, sind ja nur die Hormone… Ihr kennt sie alle! ? Fast ein Dreivierteljahr nach der zweiten Geburt war mein Leidensdruck dann aber doch so groß und keine Besserung in Sicht, dass ich den ersten Termin ausmachte. Anfangs im Wochentakt, dann zwei- bis dreiwöchentlich gingen wir meiner Traurigkeit auf den Grund, allerdings ohne Medikamente. Keine Ahnung, warum mir so etwas nie angeboten wurde. Mein Erstaunen, dass mich die Depression nach dem 2. und nicht gleich nach dem 1. Kind erwischt hatte, nahm mir die Psychologin: Es sei gar nicht selten, dass man erst nach der zweiten Geburt in eine Überforderungssituation hineinkomme, und DIE sei ausschlaggebend für das Zusammenbrechen vorher sorgsam aufgebauter Überzuckerungsstrategien.

Nach einem halben Jahr Therapie brachen dann endlich die Wunden meiner Kindheit in mir auf; ich musste mich mit meinen 36 Jahren lange verdrängten Tatsachen stellen, und der lang ersehnte, wirkliche Heilungsprozess konnte beginnen. Dies war eine sehr anstrengende, unruhige Zeit, die auch meinen Mann und unsere Ehe auf eine harte Probe stellte. Mein Mann konnte mit diesen Problemthemen überhaupt nicht umgehen und hüllte sich in hilfloses Schweigen, das mich wiederum in ein zunehmend trotziges Gefühl des Alleinseins warf. Die Psychologin riet deshalb dringend zu einer Paartherapie, damit auch mein Mann lernen könne, mit den Themen meiner Vergangenheit umzugehen und wir wieder zu einem wirklichen Miteinander fänden. Nachdem wir uns auch zu diesem Schritt durchgerungen hatten (diesmal war ich es, die nicht wollte…), ging alles erstaunlich schnell: Da unsere Eheprobleme nur so kurz vorher aufgetreten waren, ließen sie sich auch schnell wieder auflösen, und wir fanden zu einem neuen, ehrlicheren, offeneren Umgang miteinander, der von einer vorher ungeahnten Qualität und Tiefe und Ernsthaftigkeit ist (und ich fand uns vorher schon nicht oberflächlich ;-)).

MEIN FAZIT Zu hoffen, dass eine nachgeburtliche Depression, die lange anhält, „einfach so“ wieder weggeht, ist illusorisch. Das ist kein hormonell bedingter Babyblues! Da die meisten Menschen im engeren und weiteren Umfeld mit diesem Thema kaum umgehen können und Angst davor haben, muss die Frau es selbst schaffen, sich Hilfe zu holen.

Die Psychotherapie ist ein anstrengender, harter Weg, der sich aber ganz unglaublich lohnen kann!!! Meine komplette Lebenssituation hat sich dadurch nicht nur wieder auf „Vorher-Niveau“ angehoben, sondern ist (endlich) viel besser geworden! … und trotzdem sitze ich hier und jetzt nur wenige Tage vor dem errechneten Termin für mein 3. Kind und habe auch ein bisschen kalte Füße wegen der Zeit danach… Ich finde einerseits, nach so ernsthaftem Aufarbeiten sollte doch bitte kein verschüttetes Thema mehr auf mich lauern und mich wieder in den Schlund der PPD reißen, aber andererseits… wer kann das schon wissen? Drückt mir bitte die Daumen.

Angst, Panik, Wahngedanken – Klinik (1. Kind)

Fast genau ein Jahr, nachdem mein Sohn auf die Welt gekommen ist, fing die Krankheit bei mir an. Zuerst schleichend. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen, später dann mit körperlichen Beschwerden. Das Ganze artete in einen hypochondrischen Wahn aus.

Die Psychose äußerte sich in starken Angst-und Panikattacken, die nur noch mit starken Medikamenten in den Griff zu bekommen waren. Dazu kamen noch wahnhafte und `laute` Gedanken. Nachdem ich Suizidgedanken geäußert hatte, wurde ich von meiner Familie in die Psychiatrie eingewiesen. Dort wurde ich dann mit Medikamenten eingestellt, mit denen ich bis heute sehr gut leben und alles meistern kann.

Mein Sohn (damals schon 2 Jahre) wurde in dieser Zeit von meinem Mann und meinen Eltern versorgt. Aber auch heute habe ich ihm gegenüber noch Schuldgefühle, dass ich ihm in dieser Zeit keine gute Mutter war und ihn während des Klinikaufenthaltes allein gelassen habe.

Heute haben mein Sohn und ich ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis. Ich kann nur jeder Frau, die sich in dieser Situation befindet, raten, sich Hilfe zu suchen. Es gibt einen Weg aus dieser Krankheit.

Manie, Persönlichkeitsveränderung einer Hebamme – Klinik (2. Kind)

Die Schwangerschaft meines ersten Kindes verlief wundervoll, ohne wirkliche Beschwerden und mein jetziger Mann und ich konnten uns auf unser Baby so richtig freuen.

Leider kam es aber dann nach der Geburt meines Sohnes im November 2003 bald zu einem fatalem gesundheitlichen Umsturz.

Anfangs dachten alle und auch ich selbst, toll, dass es mir so gut geht.

Ich war voll Freude, mütterlichem Stolz, konnte Bäume ausreißen, fand es toll, dass mich so viele Arbeitskollegen besuchten; ich habe als Hebamme auch dort entbunden, wo ich arbeite.

Meine Geburt verlief total reibungslos, es gab keine Komplikationen, und die Dauer war auf ca. 6-8 Stunden beschränkt.

Das Wochenbett hätte aber anders verlaufen können, hätte ich damals schon die Informationen gehabt, die ich mittlerweile zusammengetragen habe.

So gut wie kein Pflegepersonal kümmerte sich um mich, denn ich war ja Hebamme, die weiß ja wie alles geht. Anfangs war ich zwar gekränkt, dachte mir dann aber, ich komm allein wirklich zurecht, denn ich hab ja wirklich alles selbst gelernt.

Ich vergaß aber damals, auch ich habe das Recht, Mama zu sein und nicht nur Hebamme. Vom ersten Tag an machte ich volles Rooming-In, versorgte mein Kind 24 Stunden am Tag selbst, mein Sohn bekam nie eine Flaschennahrung, weil ich so viel Milch hatte. Mein aufgedrehtes und euphorisches Dasein wurde immer intensiver, aber keinem, auch mir selbst nicht, war bewusst, dass mit mir etwas nicht stimmte.

Regulär am 4. Tag postpartal wurde ich nach Hause entlassen. Zwar hatte ich meinen Milcheinschuss zu der Zeit noch nicht ganz im Griff, aber das hatte sich dann zu Hause bald eingependelt. Leider hatte ich schon immer eine Neigung zum Perfektionismus, der sicher auch ein Mitauslöser meiner anschließenden Krankheit war.

Ich war stolz, im Krankenhaus alles selbst gemeistert zu haben, brauchte von niemand Hilfe – auch zu Hause wollte ich nichts aus der Hand geben. Das Stillen funktionierte wunderbar, ich hatte sogar etwas zu viel Milch, aber nach den Stillmahlzeiten in der Nacht konnte ich für mich bald keine Ruhe mehr finden. Mir fehlte das Schlafbedürfnis – anstatt mich wieder ins Bett zu legen, fing ich nachts an, Notizen zu machen, was am Tag noch alles zu erledigen ist. Seien es auch noch so unsinnige Tätigkeiten, ich begann alles aufzuschreiben. Meine Sprache veränderte sich, ich begann ständig Sachen, Namen etc., wenn ich etwas erzählen wollte, zu verwechseln oder sogar zu stottern.

Zu meinen weiteren Veränderungen zählten auch bald Wahnvorstellungen (war überzeugt davon, Gott hätte im Traum mit mir geredet), Halluzinationen (hörte mein Kind im Keller, der weit weg war, schreien), Größenwahn (wollte die so schlechte Welt und alle Kränkelnden, die um mich herum leben, heilen oder retten). Nach 13 Tagen nur wurde ich dann von meinem Mann und meiner Mutter ins nächste Krankenhaus gebracht – am darauf folgenden Tag wurde ich dann in eine Landesnervenklinik eingewiesen. Ich sah in jedem Menschen, der mir nahe kam, eine Person aus meinem Bekanntenkreis. Mir kam es so vor, jeden Menschen schon einmal gesehen zu haben.

In der Klinik bekam ich dann so starke Medikamente, dass ich abrupt abgestillt wurde. Ich kann mich auch auf 2 Wochen meines damals stationären Aufenthaltes nicht erinnern, so muss ich ruhig gestellt worden sein. Mein Mann erzählte mir, für ihn waren es die schlimmsten 2 Wochen, da ich eine enorme Persönlichkeitsveränderung durchmachte.

Nach ungefähr 2 Monaten wurde ich endlich nach Hause entlassen. Meine Eltern kümmerten sich in der Zwischenzeit liebevoll um unseren Sohn – dafür bin ich ihnen heute noch dankbar. Ich selbst hatte aber noch ein ganzes Jahr mit mir zu kämpfen, wieder der Mensch zu werden, der ich vor der Erkrankung war.

Bis November 2004 bekam ich Medikamente. Ich war dieses Jahr extrem müde und abgeschlagen, mir fehlte der Pepp.

Nach dem Absetzen aller Medikamente ging es mir allmählich besser, und ich konnte auch wieder meinen alten Gewohnheiten und Hobbys nachgehen. Ich trauerte lange diesem verlorenen Jahr nach, das ich nicht wirklich bewusst mit meinem Sohn genießen konnte.

Im Oktober 2005 war ich auch dann soweit, dass ich wieder meine Tätigkeit als Hebamme in meinem Krankenhaus aufnahm. Mit großem Erfolg, niemand verurteilte mich, im Gegenteil jeder konnte mit mir offen über meine damalige Erkrankung reden.

Ein Jahr später holte meinen Mann und mich wieder der Kinderwunsch ein. Als es nun im September 2006 auch klappte, waren wir überglücklich. Heute stehe ich 1 Monat vor meiner zweiten Entbindung. Ich habe alle nur erdenklichen Netze (Hebamme, Psychologen, Psychotherapeuten) gespannt, um nicht noch einmal in ein solch tiefes Loch zu fallen. Ich hoffe, bald von einer anderen Geschichte erzählen zu können.

Ich wünsche allen mitbetroffenen Frauen viel Kraft und Energie, um diese unsere Krankheit zu überwinden. Sie ist heute Gott sei Dank heilbar.