Die Schwangerschaft meines ersten Kindes verlief wundervoll, ohne wirkliche Beschwerden und mein jetziger Mann und ich konnten uns auf unser Baby so richtig freuen.

Leider kam es aber dann nach der Geburt meines Sohnes im November 2003 bald zu einem fatalem gesundheitlichen Umsturz.

Anfangs dachten alle und auch ich selbst, toll, dass es mir so gut geht.

Ich war voll Freude, mütterlichem Stolz, konnte Bäume ausreißen, fand es toll, dass mich so viele Arbeitskollegen besuchten; ich habe als Hebamme auch dort entbunden, wo ich arbeite.

Meine Geburt verlief total reibungslos, es gab keine Komplikationen, und die Dauer war auf ca. 6-8 Stunden beschränkt.

Das Wochenbett hätte aber anders verlaufen können, hätte ich damals schon die Informationen gehabt, die ich mittlerweile zusammengetragen habe.

So gut wie kein Pflegepersonal kümmerte sich um mich, denn ich war ja Hebamme, die weiß ja wie alles geht. Anfangs war ich zwar gekränkt, dachte mir dann aber, ich komm allein wirklich zurecht, denn ich hab ja wirklich alles selbst gelernt.

Ich vergaß aber damals, auch ich habe das Recht, Mama zu sein und nicht nur Hebamme. Vom ersten Tag an machte ich volles Rooming-In, versorgte mein Kind 24 Stunden am Tag selbst, mein Sohn bekam nie eine Flaschennahrung, weil ich so viel Milch hatte. Mein aufgedrehtes und euphorisches Dasein wurde immer intensiver, aber keinem, auch mir selbst nicht, war bewusst, dass mit mir etwas nicht stimmte.

Regulär am 4. Tag postpartal wurde ich nach Hause entlassen. Zwar hatte ich meinen Milcheinschuss zu der Zeit noch nicht ganz im Griff, aber das hatte sich dann zu Hause bald eingependelt. Leider hatte ich schon immer eine Neigung zum Perfektionismus, der sicher auch ein Mitauslöser meiner anschließenden Krankheit war.

Ich war stolz, im Krankenhaus alles selbst gemeistert zu haben, brauchte von niemand Hilfe – auch zu Hause wollte ich nichts aus der Hand geben. Das Stillen funktionierte wunderbar, ich hatte sogar etwas zu viel Milch, aber nach den Stillmahlzeiten in der Nacht konnte ich für mich bald keine Ruhe mehr finden. Mir fehlte das Schlafbedürfnis – anstatt mich wieder ins Bett zu legen, fing ich nachts an, Notizen zu machen, was am Tag noch alles zu erledigen ist. Seien es auch noch so unsinnige Tätigkeiten, ich begann alles aufzuschreiben. Meine Sprache veränderte sich, ich begann ständig Sachen, Namen etc., wenn ich etwas erzählen wollte, zu verwechseln oder sogar zu stottern.

Zu meinen weiteren Veränderungen zählten auch bald Wahnvorstellungen (war überzeugt davon, Gott hätte im Traum mit mir geredet), Halluzinationen (hörte mein Kind im Keller, der weit weg war, schreien), Größenwahn (wollte die so schlechte Welt und alle Kränkelnden, die um mich herum leben, heilen oder retten). Nach 13 Tagen nur wurde ich dann von meinem Mann und meiner Mutter ins nächste Krankenhaus gebracht – am darauf folgenden Tag wurde ich dann in eine Landesnervenklinik eingewiesen. Ich sah in jedem Menschen, der mir nahe kam, eine Person aus meinem Bekanntenkreis. Mir kam es so vor, jeden Menschen schon einmal gesehen zu haben.

In der Klinik bekam ich dann so starke Medikamente, dass ich abrupt abgestillt wurde. Ich kann mich auch auf 2 Wochen meines damals stationären Aufenthaltes nicht erinnern, so muss ich ruhig gestellt worden sein. Mein Mann erzählte mir, für ihn waren es die schlimmsten 2 Wochen, da ich eine enorme Persönlichkeitsveränderung durchmachte.

Nach ungefähr 2 Monaten wurde ich endlich nach Hause entlassen. Meine Eltern kümmerten sich in der Zwischenzeit liebevoll um unseren Sohn – dafür bin ich ihnen heute noch dankbar. Ich selbst hatte aber noch ein ganzes Jahr mit mir zu kämpfen, wieder der Mensch zu werden, der ich vor der Erkrankung war.

Bis November 2004 bekam ich Medikamente. Ich war dieses Jahr extrem müde und abgeschlagen, mir fehlte der Pepp.

Nach dem Absetzen aller Medikamente ging es mir allmählich besser, und ich konnte auch wieder meinen alten Gewohnheiten und Hobbys nachgehen. Ich trauerte lange diesem verlorenen Jahr nach, das ich nicht wirklich bewusst mit meinem Sohn genießen konnte.

Im Oktober 2005 war ich auch dann soweit, dass ich wieder meine Tätigkeit als Hebamme in meinem Krankenhaus aufnahm. Mit großem Erfolg, niemand verurteilte mich, im Gegenteil jeder konnte mit mir offen über meine damalige Erkrankung reden.

Ein Jahr später holte meinen Mann und mich wieder der Kinderwunsch ein. Als es nun im September 2006 auch klappte, waren wir überglücklich. Heute stehe ich 1 Monat vor meiner zweiten Entbindung. Ich habe alle nur erdenklichen Netze (Hebamme, Psychologen, Psychotherapeuten) gespannt, um nicht noch einmal in ein solch tiefes Loch zu fallen. Ich hoffe, bald von einer anderen Geschichte erzählen zu können.

Ich wünsche allen mitbetroffenen Frauen viel Kraft und Energie, um diese unsere Krankheit zu überwinden. Sie ist heute Gott sei Dank heilbar.