Manie, Angst, Realitätsverlust – Klinik (1. Kind)
Die Schwangerschaft war wundervoll. Es waren wahrscheinlich die schönsten neun aufeinander folgende Monate meines Lebens. Ich war sehr glücklich und schwebte auf Wolke sieben. Ich war sehr stolz auf meinen Babybauch. Ich hatte keine Anzeichen von Übelkeit oder was man sonst als Leiden der Schwangerschaften kennt.
Bei der Entbindung ging im Prinzip auch alles ganz gut. Sie dauerte nur sehr lange (Wehen von unterschiedlichster Intensität und Regelmäßigkeit über 24 Stunden).
Während der zwei Nächte vor der Entbindung konnte ich nur extrem wenig geschlafen.
Früher habe ich oft viele Nächte durchgefeiert, und Schlafmangel war nie ein Problem.
Aber das war nun anders.
Als mein Sohn nun auf der Welt war, schlief ich nachts nicht viel und bald immer weniger.
Nur wenige Tage nach der Entbindung hatte ich nachts einen Gedanken zwischen Schlaf- und Wachzustand an meine Großmutter, die auch im Krankenhaus lag und dachte mir, dass ich nicht wollte, dass meine Großmutter wegen der Geburt meines Sohnes sterben müsste. Dieser abstruse und alarmierende Gedanke war der erste von vielen, die leider daraufhin folgten. Als sich mein Mann Stunden später verletzt von einem Unfall im Krankenhaus einfand, dachte ich nur so: „Oh, nein, aber er doch noch viel weniger.“ Diese Gedanken begleiteten mich unterschwellig etwa zwei Wochen.
Zunächst wurden die unrealistischen Gedanken aber von einer manischen Antriebssteigerung überdeckt. Ich war so aufgekratzt, kam einfach nie richtig zur Ruhe. Ich hatte ein Jetlag-Gefühl, das einfach nicht weg wollte. Ich sprudelte über vor Energie, die irgendwie nicht wirklich meine war.
Nachts schlief ich immer weniger, oft schrieb ich meine mehr oder weniger abstrusen Gedanken auf, um sie nicht zu vergessen, denn irgendwie schienen sie sehr wertvoll zu sein. Andererseits tat ich es auch, um sie loszuwerden und endlich schlafen zu können. Später habe ich die Aufzeichnungen beschämt und entrüstet weggeworfen.
Irgendwann schlug die Unruhe in panische Angst um. Mit meiner Umwelt konnte ich schließlich nicht mehr viel anfangen. Meine Gedanken zogen mich in grausame Tiefen.
Am gleichen Tag brachten mich meine Angehörigen in die Psychiatrie.
Meine Familie hatte meine Veränderung zwar bemerkt, aber so wie ich gehofft, dass es bald von selbst besser werden würde. Aber wenn eine ‚Verstimmung‘ nicht nach einer Woche abgeklungen ist, sollte man dringend ärztliche Hilfe suchen.
Das richtige Bewusstsein dafür, dass ich erkrankt war, hatte ich erst, als mich meine Schwester in der Psychiatrie besuchte und mir erklärte, dass ich eine Stoffwechselkrankheit hätte. Meine Familie war sehr stark. Die Medikamente schlugen sofort an.
Ich schlief immer mehr und die Gedanken wurden klar und vernünftig.
Nach 19 Tagen wurde ich entlassen.
Ich denke nicht, dass mein Sohn oder die Beziehung zu meinem Sohn darunter gelitten hat.
Während meines Klinikaufenthalts war er bei seinen Großeltern. Ich hoffe und denke wirklich, dass er von meiner Verwirrung nicht viel mitbekommen hat.
Noch neun Monate lang habe ich zwei Medikamente in zunächst hoher Dosierung genommen.
Die haben mich gedämpft und verlangsamt (in Bewegung und Gedanken).
Mein Baby und ich haben tagsüber viel zusammen geschlafen.
Aber viele Bekannte hatten ein Problem mit meiner ‚Verlangsamung‘. Meine früher beste Freundin hat mir viel später dann erklärt, dass sie nicht wusste, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollte und dass sie erst den Weg zu mir ‚zurück‘ finden müsste. Bei anderen hatte ich den Eindruck, dass sie es vermeiden wollten, mit mir alleine zu sein. Im Prinzip stand, außer meiner Familie, nur eine Freundin auch in der schlechten Zeit fest zu mir.
Leider glauben immer noch viele, es handele sich da um eine lebenslange Geisteskrankheit und wollen nicht verstehen, dass es sich um eine sehr gut heilbare Krankheit handelt.
Ich traue mich nicht, offen und ehrlich zu antworten, wenn ich ganz unvermittelt nach meiner weiteren Familienplanung gefragt werde. Ich fürchte, dass die Antwort leider auch heute noch zu sehr schockieren würde und die Menschen mich dann nicht mehr mit denselben Augen sehen würden.
Ich wollte immer eine große Familie haben, aber man bekommt natürlich nicht immer, was man will.
Ich versuche zurzeit mit Hilfe des Vereins Schatten und Licht e.V., meine Risiken einzuschätzen. Allen Betroffenen lege ich den Besuch der Internetseite an Herz. Sie ist sehr umfassend und hilfreich.